Blogger & Journalisten aufgepasst: KSP-Abmahnung der dpa – so stoppten wir eine vierstellige Forderung

Stell dir vor, du öffnest an einem ganz normalen Arbeitstag dein E-Mail-Postfach. Zwischen den üblichen Nachrichten findest du eine E-Mail von einer Anwaltskanzlei. Der Betreff: „Urheberrechtsverletzung“. Dein Puls steigt. Im Anhang eine Forderung über 1.107,74 €. Der Grund? Du sollst ein Bild auf deiner Webseite unrechtmäßig verwendet haben.
Genau das ist uns von 2kreuzfahrer.de heute passiert. Eine Geschichte, die wir mit dir teilen müssen. Nicht nur, weil sie uns Stunden an Arbeit und Nerven gekostet hat, sondern weil sie eine Warnung für jeden ist, der Inhalte im Internet veröffentlicht. Es ist die Geschichte einer dreisten Abmahnung durch die Kanzlei KSP im Auftrag der dpa Picture-Alliance GmbH – und wie wir uns erfolgreich gewehrt haben.
Der erste Schock: Die Forderung der Kanzlei KSP
Die E-Mail der Kanzlei Dr. S., Dr. F. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KSP) war unmissverständlich. Wir hätten auf unserer Seite ein Bild verwendet, an dem ihre Mandantin, die dpa Picture-Alliance, die exklusiven Nutzungsrechte besäße. Die Forderung war für uns absurd hoch und bis ins Detail aufgeschlüsselt:
- Schadensersatz: 700,00 €
- Dokumentationskosten: 255,00 €
- Anwaltskosten & Zinsen: 152,74 €
- Gesamtsumme: 1.107,74 €

Das Kuriose daran: Die hohe Lizenzgebühr von 700 € setzte sich aus dem Hauptbild und zwei kleinen Thumbnails auf Tag-Übersichtsseiten zusammen. Ein Vorgehen, das fast schon automatisiert und darauf ausgelegt wirkt, maximalen Druck zu erzeugen.

Sofort war uns klar: Das kann nicht stimmen. Bei Bildern von Reedereien wie AIDA Cruises greifen wir ausschließlich auf deren offizielle Presseportale zurück. Doch der erste Anruf bei der Kanzlei war ernüchternd.
Am Telefon abgebügelt: „Das glauben wir Ihnen nicht!“
Am Telefon versicherte ich der Mitarbeiterin der Kanzlei, dass das Bild mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Pressearchiv von AIDA Cruises stammt. Die Reaktion war niederschmetternd. Man gab mir mehr oder weniger deutlich zu verstehen, dass meine Aussage unglaubwürdig sei und ich mir das wohl nur ausdenken würde. Bei Nichtzahlung würden bald gerichtliche Schritte eingeleitet.
Ein klassischer Einschüchterungsversuch. Sie setzen darauf, dass du Angst bekommst, die hohen Kosten eines Rechtsstreits scheust und lieber zähneknirschend die geforderte Summe überweist.
Aber wir haben nicht aufgegeben.
Detektivarbeit im Internet-Archiv: Der Beweis
Das Problem: Das Bild stammte aus dem Jahr 2007. Das damalige Presseportal von AIDA Cruises existiert in dieser Form nicht mehr. Wie also sollten wir beweisen, dass wir im Recht sind? Die Antwort lag im digitalen Gedächtnis des Internets: dem Internet Archive (Wayback Machine).
Nach einer stundenlangen, aufwändigen Recherche wurden wir fündig. Wir konnten die exakte Seite des AIDA Pressebildarchivs aus dem Jahr 2007 wiederherstellen. Und dort stand es über dem Foto um das es geht, schwarz auf weiß:

„Alle Fotos können honorarfrei für Ihre redaktionelle Tätigkeit verwendet werden. Bitte geben Sie als Bildnachweis 'Foto: AIDA Cruises' an.“
Wir hatten den Beweis! Das von der dpa abgemahnte Bild war dort eindeutig zum honorarfreien Download für redaktionelle Zwecke angeboten worden.

Parallel dazu kontaktierten wir die Pressestelle von AIDA Cruises. Die Kommunikation hier war das genaue Gegenteil der Kanzlei-Erfahrung: freundlich, hilfsbereit und blitzschnell.
AIDA bestätigte uns in der Zwischenzeit ebenfalls unsere Vermutung und hat uns weitere Hilfe zugesichert, falls wir diese benötigen. Diese Bestätigung war Gold wert und untermauerte unsere Position.
Die Konfrontation: Unsere Antwort an die Kanzlei und die dpa
Bewaffnet mit diesen unumstößlichen Beweisen formulierten wir eine E-Mail, in der wir die Forderung entschieden zurückwiesen. Wir legten die Links zum Internet-Archiv vor und zitierten die honorarfreie Nutzungserlaubnis.
Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen und die Verantwortlichen direkt zu konfrontieren, setzten wir die dpa Picture-Alliance und die Pressestelle der dpa in CC. Wir machten deutlich, dass wir diese Vorgehensweise für höchst problematisch halten.
Die plötzliche Einsicht: „Ein Versehen“
Was glaubst du, wie lange die Antwort gedauert hat? Weniger als 25 Minuten! Plötzlich klang alles ganz anders. Eine Mitarbeiterin der dpa Picture-Alliance schrieb:
Antwort der dpa Picture-Alliance:
„(...) bitte entschuldigen Sie den Vorfall. Sie haben vollkommen recht. Hier handelt es sich um ein Versehen. Der Fall wird umgehend zurückgezogen.“
Ein „Versehen“. Eine Forderung über 1.107,74 €, die Androhung gerichtlicher Schritte, die Andeutung wir würden lügen – alles nur ein Versehen? Man fragt sich unweigerlich, wie vielen anderen Bloggern, die vielleicht nicht die Zeit, die Mittel oder das Wissen für eine solche Recherche haben, so ein „Versehen“ passiert und die aus Angst einfach zahlen. Mehr als diese paar Worte gabs übrigens nicht als Stellungnahme. Weder von der Kanzlei, noch von der DPA.
Was du aus unserer Geschichte lernen kannst
- Bleib ruhig und zahle nicht vorschnell: Eine Abmahnung ist darauf ausgelegt, Panik zu erzeugen. Atme tief durch und prüfe die Forderung systematisch.
- Sei ein digitaler Detektiv: Nutze Tools wie das Internet Archive (archive.org), um alte Webseiten wiederzufinden und deine Quellen zu belegen.
- Dokumentiere deine Quellen: Mache Screenshots von Presseportalen, wenn du Bilder herunterlädst, und archiviere die Nutzungsbedingungen.
- Wehre dich entschieden: Wenn du im Recht bist, formuliere einen klaren Widerspruch. Lege deine Beweise vor und scheue dich nicht, die auftraggebende Firma (in diesem Fall die dpa) direkt zu konfrontieren.
- Tausche dich aus: Sprich mit Kollegen oder in Communitys über solche Vorfälle. Gemeinsam ist man stärker und kann solche Machenschaften aufdecken.
Am Ende bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die Abmahnung wurde zurückgezogen, aber eine Frage bleibt offen: Wer bezahlt eigentlich die Stunden, die ich damit verbracht habe, in digitalen Archiven nach Beweisen aus dem Jahr 2007 zu graben, um eine unberechtigte Forderung abzuwehren?
Wir hoffen, unsere Geschichte hilft dir, falls du jemals in eine ähnliche Situation gerätst. Lass dich nicht einschüchtern!
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